DIY: Pimp die Retro-Garderobe

Retro ist toll. Wirklich. Ich bin beispielsweise ein großer Fan von Lilienporzellan, weil meine Lieblingsfarbe bunt ist. Und die Daisy-Serie ist gelb-blau-grün-rosa-lila-lustig! Und mangels Blümchenmuster und sonstigem Design zeitlos und beliebig kombinierbar. Stilgerecht residiert das Porzellan in einer Old-School-Kredenz – ebenfalls ein blass-bunter zeitloser Klassiker, den ich bei einer Wohnungsräumung günstig abgestaubt habe. Es gibt allerdings Retroteile, denen sogar ich nichts, absolut gar nichts, abgewinnen kann: im sogleich geschilderten Fall nämlich einer wohl massiv gearbeiteten, überaus praktikablen, aber potthässlichen Garderobe, die in einer Nische in der Speis seit Jahren ihr unbeachtetes Dasein fristete. Ich gebe nur folgende Hinweise: Plastikbezug. Fische. Kirschen. Ananas. Flaschen. Körbe. Whhhaaaaaaattt?!?!?!? Und dann noch in einer Größe, die dem Bademantel des Frankensteinschen Monsters gerecht geworden wäre. Das Unding brauchte dringend ein Filzlifting und einen kürzeren Look.
 

 

Planung ist die halbe Filzerei
Anstelle der Plastikfolie, so der Plan, sollte das Vollholzgestell einen neuen und nachhaltigen Bezug bekommen. Natürlich hätte dafür jedweder uni-gemustert-liniert-oder-sonstig-bedruckte Stoff herhalten können, aber warum in die Ferne schweifen, wenn die Wolle liegt so nah. Ein Entwurf musste her, um nicht zu sagen ein „Design“. Nach ungezählten Versuchen – jetzt verstehe ich, warum Produktdesigner eine eigene Berufsgruppe darstellen – stand der endgültige Entwurf endlich fest. In Anlehnung an die Spielkartensoldaten aus Alice im Wunderland – treue Leserinnen und Leser wissen ob meiner wunderlichen Obsession – sollte das neue Format der Garderobe exakt dem Seitenverhältnis einer Spielkarte entsprechen.
 


 

Breite abgemessen, in Verhältnis gesetzt und ratzfatz die absolute Länge berechnet und die Stichsäge angeworfen. Sie kämpfte sich wacker durch das Innenfutter der Garderobe – welch Geflusel! – ging letztlich jedoch als Sieger hervor. Nach all der Plackerei ging’s ans Drucken der Motive, Ausschneiden des Schachbrettmusters aus Vorfilz und Auslegen der Wolle. Der eigentliche Filzvorgang dauerte im Vergleich zu all den Vorbereitungen kürzer als der Flügelschlag eines Kolibris. Nun war zwar das Herzstück, der Bezug, fertig, doch das Projekt „Garderobe-Pimp“ noch lange nicht abgeschlossen. Es fehlten noch die Konturen sowie die kniffligste Arbeit: nämlich die Befestigung des Ziffernblattes, dem Überbleibsel einer Wanduhr, die einer Dynastie Holzwürmer Aufstieg und Fall ermöglichte.
 


 

Oh du clevere Natur, du!
Textilkleber kam nicht in Frage, da ich es nicht übers Herz bringe streichelzarte Wolle unter pickigem Kleber zu ersticken. Außerdem war fraglich, ob dieser auf dem Metall überhaupt haften würde. Nähen kam auch nicht in Frage, weil sonst das Metall mit Bohrlöchern übersät werden müsste. So entschied ich mich für einen halben Klettverschluss, also nur die Seite mit den Widerhäkchen, weil den Gegenpart, so der Plan, (hoffentlich) der Filz übernehmen würde. Kletten – die biologischen Eltern aller industriell gefertigten Klettverschlüsse – haften schließlich auch auf meiner Filzjacke und sind oft nur mit Müh und Not ablösbar! Und ich hab’s nicht gewusst, aber Klettverschlüsse sind tatsächlich die bionischen Nachfahren von Klettfrüchten, wie Wikipedia verrät: „Der Klettverschluss ist überwiegend ein textiles, fast beliebig oft zu lösendes Verschlussmittel, das auf dem Prinzip von Klettfrüchten beruht. Die bionische Umsetzung besteht in der typischen Form aus zwei gewebten Chemiefaserstreifen, wovon einer flexible Widerhäkchen, der andere Schlaufen hat. Zusammengepresst ergeben sie einen belastungsfähigen, aber reversiblen Schnellverschluss.“
 


 

Na bitte. So weit die Theorie. Statt der Mini-Schlaufen hab ich zwar chaotische angeordnete Wollfasern – aber *Daumen-drück*, das Ding wird schon halten. Ein paar Heißkleberverbrennungen später war die Rückseite mit Klettbändern zugetaped, weil die Scheibe nicht gerade ein Federgewicht ist. Und dann kam die Probe auf die Theorie mit einem Bittgesuch auf den Lippen: *bitte-halte-bitte-halte-bitte-halte* und JUHUUUUUUUUU! Jacken marsch!
 


 

PS: Die 0815-Bastelarbeit – also das Ab- und Anschrauben der Haken sowie das Überziehen – habe ich ausgespart. Simple Schraubenzieherarbeit und Tackersache ist nicht des Schreibens wert…







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