Vorher: Alter Klassiker. Nachher: Pinnwand.

Alte Sachen haben Charme. Schon als kleines Kind habe ich unseren Nachbarinnen, die mich hin und wieder hüten mussten, ihren Krims und Krams abgeschwatzt und flugs nach Hause gekarrt. Sehr zum Missfallen so manch‘ Familienmitglieds, weshalb das Klumpert zu meinem Leidwesen immer rasch entsorgt wurde. Das passiert nun nicht mehr. Im Gegenteil: einerseits sammle ich leidenschaftlich gern schöne Altwaren, andererseits habe ich ein Herz für so manch ausgemergelte Stücke, die vermutlich niemals bessere Zeiten erlebt haben. Aber egal. Mein schöpferischer Auftrag lautet in diesen Fällen jedenfalls: entweder sie einem ästhetischen Relaunch zu unterziehen oder ihnen eine gänzlich neue Berufung zu verpassen. Letzteres ist mein Steckenpferd. Weil überaus herausfordernd, kreativ und lustig. Alles was es dazu braucht ist ein Dachboden mit jeder Menge altem Tand. Oder ein Flohmarkt. Oder eine ausgiebige Dorfrunde, wenn Sperrmülltag ist. Wie auch immer. Heute präsentiere ich mein neuestes Aus-alt-wird-anders-Unikat. Ausgangswerk: ein *hüstel* hübscher Bilderrahmen mit einem klassischen Stillleben Kategorie „100 Jahre-Tiefschlaf-ist-aufregender“.

Aus der Not geboren
Mein Organisationstalent ist sehr minimalistisch ausgeprägt. Mein Arbeitstisch gleicht einem Blätterhaufen durch den eine Horde Kleinkinder galoppiert ist. Ja, macht Spaß. Im Herbst. Ganzjährig Zettel suchen allerdings nicht. Eine Pinnwand, so der Plan, sollte diesem Chaos ein Ende bereiten. Was eignete sich dafür besser als ein Rahmen inklusive Rückwand, die mit Filz tapeziert werden könnte? Maximal bräuchte es eine Korkwand. Nach einer kurzen Nadelprobe erwies sich allerdings die Leinwand, besser gesagt die Rückwand des Bildes als stabil genug, um herkömmliche Pinnwandnadeln zu ertragen. Noch dazu, so der Gedanke, würde ein etwas dickerer Filz das seine dazu beitragen, um den notwendigen Halt zu verleihen. Nun war noch das Motiv zu klären. Ich wählte einen Bildausschnitt aus dem Filmposter von Disneys Alice in Wunderland. Schließlich sollte das gepimpte Werk künftig gleich daneben an der Wand hängen.

 

Wolligliche Farbspiele
Blau ist nicht blau ist nicht blau. Rosa ist nicht rosa ist nicht rosa. Und weiß ist nicht weiß ist nicht weiß. Das mag auf den ersten Blick frustrierend sein, auf den zweiten, dritten und millionsten Blick ist es ungeheuer farbenfroh. Und sehr lustvoll, sich mit Schattierungen, Kombinationen und Farbmischungen zu spielen. Wochen später … nein, so wild war’s nicht, wenn auch ein paar Tage später stand der wollige Farbmix fest: Jodhpur-blau, Jaipur-rosa und Casablanca-weiß. Nun waren noch Zahlenspiele angesagt: die Vorlage musste entsprechend vergrößert werden. In Filzsprache heißt das: Fertigmaß (Rahmengröße) mal Schrumpffaktor = Auslegemaß. Die benötigte Wollmenge wiederum ist abhängig von der gewünschten Filzstärke, die sich aus dem benötigten Fasergewicht pro Quadratzentimeter sehr simpel berechnen lässt. Die entsprechenden Kalkulationen waren für meinesgleichen, soll heißen Mathestreber, ein Klacks.

 

Die wolligliche Vollendung
Nach der Kür kam die Pflicht. Denn der dritte und letzte Teil der Pinnwandwerdung war der kleinste Teil der Übung. Soll heißen: die Wollfasern analog zur Vorlage auslegen, was mich ein bisschen an Malen nach Zahlen erinnerte und daraus einen flächigen Filz anfertigen. Dieser wurde mit dem Walkholz etwas geglättet und alsdann wurden noch die Ränder akkurat geschnitten. Schließlich musste der Filzfleck haarscharf in den Rahmen passen, was er auch tat. Nachdem Filz und Karton eingepasst und fixiert waren, stand der Tauglichkeitstest am (gedachten) Plan. Und siehe da: die Ware hält, was sie optisch verspricht. Der einzige Wermutstropfen: sie ist zu klein! Aber es ist ja noch nicht aller Dachboden Abend.







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